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Das Hipetuk

Ein Zeitungsausschnitt mit Informationen über einen Roman in dem das Hipetuk vorkommt der mir aus Hildesheim geschickt wurde. Farbfoto von Björn Stöckemann.
Text unter dem Farbfoto: Jürgen Meier in der Schuhstraße - dort wo einst das Hipetuk sein Domizil hatte.
FOTO: BJÖRN STÖCKEMANN

Die Versehrten der Kriege


Jürgen Meier erzählt in Wöbkenbrot und Pinselstrich eine Familiengeschichte vom Ersten Weltkrieg bis zur Studentenbewegung


Von Björn Stöckemann
Hildesheim. Das Hipetuk ist eine der ersten Erinnerungen, die Jürgen Meier mit Hildesheim verbindet. 1969 zog es ihn zum Studium hierher. Seit drei Jahren war das Hipetuk da schon die Szenekneipe der Stadt. „Wir haben uns getroffen, gezecht und gekifft”, beschreibt Meier die Atmosphäre in dem Parterre am unteren Ende der Schuhstraße. „Ein tolles Ding.” Kein Wunder, dass auch sein neuer Roman zu dieser Zeit und an diesem Ort endet. In „Wöbkenbrot und Pinselstrich” fantasiert Meier seine Hauptfigur Georg an den Tresen des Hipetuk. Der junge Mann schleppt Liebeskummer und linke Parolen sowie eine Familiengeschichte aus zwei Weltkriegen mit sich herum.

„Der Roman findet auf zwei Ebenen statt”, erklärt Meier. Zum einen erzählt er darin die Geschichte zweier Familien. Sie beginnt 1910 in Chemnitz am Vorabend des Ersten Weltkrieges, führt dann nach Westfalen während des Erstarkens der Nationalsozialisten und endet schließlich in Hildesheim mit der Studentenbewegung. Die erste Ebene, die Meier beschreibt, handelt von Menschen und ihren Entscheidungen. Da wäre zum Beispiel Paul, der Verantwortung für seine Familie übernimmt, nachdem der Krieg den Vater versehrt hat. Dafür nutzt Paul jedoch die Not seiner jüdischen Nachbarn aus, um an deren Haus zu kommen. Da wäre Ingeborg, die die schönen Künste genauso liebt wie ihren kaisertreuen Vater. Da wäre Horst, der nach dem Krieg seine Nazi-Vergangenheit überwindet und Sozialdemokrat wird.

„Dann gibt es aber auch philosophische Ausflüge”, betont Meier. Es geht um Nietzsche und Wagner und das Aufgehen ihres Denkens im Ersten Weltkrieg. Er überlege, erzählt Meier, wo sich diese Schulen unter Hitler fortgesetzt hätten und, darüber hinaus, was sich davon noch in die Adenauer-Zeit gerettet habe. „Ich musste alle Namen ändern”, verrät Meier. „Da legte der Verlag großen Wert drauf.”

Im Zentrum von „Wöbkenbrot und Pinselstrich” steht also eine fiktive Familienchronik. Das Buch sei aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit seiner Generation, findet Meier. Er ist Jahrgang 1950. „Die Generation meiner Eltern war unfähig zu trauern und sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen”, sagt er.

Als junger Mann hatte er Fragen und seine Eltern schwiegen. Sein Glück war ein Geschichtslehrer am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in seiner Heimat. Dort las er „Dokumente des Faschismus” und arbeitete diese kritisch auf. Sein Denken hat das bis heute beeinflusst.

Dass das aber auch fehlgehen kann, das zeigt Meier in seinem Buch an eben jenem Menschen aus dem Hipetuk. „Georg versucht, aus seinem Nazi-Elternhaus zu fliehen und geht zu Marx, Lenin, sogar Stalin - und fällt als Mensch fürchterlich auf die Schnauze”, beschreibt Meier. Statt einen eigenen Weg zu finden, „löst er sich im Klassenkampf auf".

Jemand habe ihm geraten, dass er die Geschichte eigentlich noch weiterschreiben müsste, erzählte Meier. Bis ins Heute, bis zu den jungen Leuten, die jetzt auf die Straße gehen. Ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte war aber erst mal genug Geschichte für 344 Seiten. Das Hipetuk gibt es auch seit 1977 nicht mehr. Und „Fridays for Future”? Diese Jugend finde Meier sowieso „großartig”.


Info Jürgen Meier:
Wöbkenbrot und Pinselstrich,
Mirabilis Verlag,
2021
24 Euro


Externe Links: www.kehrwieder-verlag.de, mirabilis-verlag.de, www.amazon.de.