Der Roman "Buddenbrooks"
wurde häufig dahingehend interpretiert, daß in ihm die Entwicklung
des deutschen Bürgers zum Bourgeois dargestellt werde: Die Familie Buddenbrook
repräsentiere das untergehende alte städtische Bürgertum, die
Hagenströms hingegen die neu aufkommende imperialistische Bourgeoisie.
Für diese Interpretation spricht, daß die Buddenbrooks im Gegensatz
zu Hagenströms eine vorsichtige Geschäftspolitik ohne Zuhilfenahme
von Krediten betreiben, zur Aufrechterhaltung ihrer Position die vererbbaren
Privilegien des patrizischen Bürgertums verteidigen und es noch nötig
haben, ihr Geschäft auf Grundsätze der Religion, der Moral und der
Tradition zu stützen.
Dennoch ist der in der Sozialgeschichte wichtige Gegensatz zwischen altem städtischem
Bürgertum und neu aufkommender imperialistischer Bourgeoisie im Roman unbedeutend:
In den "Buddenbrooks" dominiert vielmehr ein mythologisches, dem ewigen Werden und Vergehen des organischen Lebens analoges, zyklisches (These 4), einen historischen Fortschritt negierendes, irrationales Weltbild: Vor den Buddenbrooks hatte die Familie Ratenkamp dengleichen Kreislauf durchlaufen, nach ihnen beginnt dieser Kreislauf in der Familie Hagenström von neuem.Der Konsul Buddenbrook tritt -anders als die historischen Lübecker Patrizier- schon 1835 für den Zollverein ein.
Die jeweiligen Inhaber der Firma entscheiden bei Eheschließungen und anderen familiären Angelegenheiten ebenso wie Hagenströms nicht entsprechend einer Moral, Tradition oder Religion, sondern nach ökonomischen Gesichtspunkten.
Sowohl in der Familie Buddenbrook, als auch in der Manns endete die Entwicklung der Firma nicht infolge Konkurses, sondern weil ein für den Kaufmannsberuf geeigneter Erbe fehlte.
Aus dem Erzählwinkel des Romans werden die Ursachen für den Niedergang der Firma im biologischen und seelischen Bereich gesehen. Geschäftsbilanzen werden nicht mitgeteilt.